„Volles Haus“: Virtueller WundCongress ist erfolgreich zu Ende gegangen
Zum 13. Mal hat der Interdisziplinäre WundCongress vergangene Woche stattgefunden und zugleich hat die Veranstaltung Premiere gefeiert: Denn erstmals hat der Kongress für die rund 6oo Teilnehmer und Teilnehmerinnen rein virtuell stattgefunden, und das mit Erfolg.
„Volles Haus“ beim IWC – wenn auch in virtueller Form vor den heimischen Bildschirmen der Teilnehmer und Teilnehmerinnen: Mit großem Erfolg und rund 600 zugeschalteten Kongressgästen ist am Donnerstag, 26. November, die 13. Auflage des Interdisziplinären WundCongress (IWC) über die Bühne gegangen. Aus Gründen der Pandemie-Einschränkungen war es zugleich die Online-Premiere des IWC – nach der ebenfalls in virtueller Form veranstalteten, etwas kleineren „Pflegefortbildung des Westens“ (JHC) am 17. September. „Wundversorgung neu gedacht“ war das Motto des Kongresses, den das Team von PWG-Seminare und G&S‑Verlag ab Punkt 9 Uhr vom Kölner Standort der Katholischen Hochschule (KatHO) NRW in die Republik hinaus sendete. Und das Konzept ging auf: Weitgehend störungsfrei, und mit technischem Teilnehmer-Support für alle Fälle im Hintergrund, gelangten das ganztägige Hauptprogramm und die vier Begleitveranstaltungen der Berufsgenossenschaft BGW, der Paul Hartmann AG, der Lohmann & Rauscher GmbH sowie der Sigvaris Group via Konferenztool zu den zugeschalteten Gästen. „Dabei sein, ohne vor Ort persönlich dabei zu sein“: Das Veranstaltungsteam hatte sich vorgenommen, ein Kongresserlebnis zu bieten, das dem klassischen IWC-Erlebnis in den Kölner Sartory-Sälen möglichst nahekommt – inklusive (digitaler) Kongressmappe, virtuellem Besuch der Industrieausstellung und, selbstverständlich, den vollen Fortbildungspunkten aus den Vorjahren.
Wissenstransfer und Branchentreff auf virtueller Ebene
„Neben dem reinen Wissenstransfer sind das Zusammentreffen und der Austausch so eminent wichtig“, bedauerte Kongresspräsident Prof. Dr. Volker Großkopf in seiner Begrüßungsrede, dass ein Kongress in traditioneller Form diesmal nicht möglich war. „Es sind viele Tränen geflossen, und wir haben uns überlegt, was wir machen.“ Es habe gegolten, das Beste aus der Situation herauszuholen, und das sei gelungen. „Wissenstransfer ist unser Auftrag. Mein ausdrücklicher Dank gilt nicht nur Referenten und Helfern, sondern geht auch an Sie“, adressierte er die Kongressgäste vor den Bildschirmen. „Schauen Sie, wer heute dabei ist. Das ist richtig gutes Karma. Man kann die Krise nur meistern, wenn man zusammenhält.“
Auch Co-Gastgeberin Marina Filipovic, Pflegedirektorin und Mitglied im Vorstand der Uniklinik Köln (UKK), nahm den Gedanken auf und skizzierte zugleich den menschlichen Aspekt von Corona. „Wenn wir diese Krise bewältigt haben, wird die Einsamkeit in der Gesellschaft zu einem großen Problem geworden sein. Und wir Pflegende können dazu beitragen, die Einsamkeit ein großes Stück abzubauen. Ich hoffe, Sie nehmen heute Impulse mit und helfen, die neuen Technologien weiterzutragen.“
Bunter Themenstrauß im Hauptprogramm
PD Dr. Nils Lahmann, stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Geriatrie und Leiter der AG Pflegeforschung an der Klinik für Geriatrie und Altersmedizin der Charité-Universitätsmedizin Berlin, nahm die Kongressgäste bei seinem Vortrag „Smarte digitale Lösungen in der Wundversorgung“ mit auf eine Reise in die technische Zukunft der Pflege, die schon weit gediehen ist. Die heute verfügbaren technischen Helferlein – wie das Pflege-Cockpit der Thomashilfen oder aus Japan stammende Monitoring-Systeme – machten das Leben des Pflegepersonals enorm leichter. „Und es gibt die 5G- und KI-Technologie, die Quantenforschung beschleunigt den Entwicklungsprozess. Es gibt einen großen Markt und einen großen Wettkampf. Vieles ist in der Entwicklung; da sind Sachen dabei, die wir uns momentan noch nicht vorstellen können.“
Gerhard Schröder, Direktor der Göttinger Akademie für Wundversorgung und Mitglied im Beirat der Initiative Chronische Wunden (ICW), widmete sich in „Therapeutische Kommunikation kann Wunden heilen?“ den schwierigen Fällen unter den Wundpatienten – Nörgler, Besserwisser, Aggressive, Skeptiker, Provozierende & Co. Empathie und das Hineinversetzen in die Lage der Patienten, sowie das Erörtern ihrer Beweggründe, seien die Schlüssel zum Therapieerfolg. „Es gibt aber auch Grenzen: Wenn Patienten sexuell aktiv werden, ist kein Akzeptieren angebracht, ebenso bei Aggression. Da sollten Sie deutliche Grenzen zeigen. Bleiben Sie ansonsten bewusst höflich“, riet er.
Mitunter starke Nerven der Zuschauer waren gefragt beim Vortrag „Künstliche Wunden heilen nicht“ von Nick Krützfeld, Inhaber von Medical Effects Germany – denn die von der Firma zu Lehrzwecken produzierten Körperteile mit Operationswunden sind täuschend echt und nichts für Zartbesaitete.
Von Praxis bis Theorie ist alles mit dabei
Nach der Pause referierte der chirurgische Facharzt Dr. Walter Wetzel-Roth in „Die Rache der Placebos“ über die Grenzen der Evidenz in der Wundbehandlung. Der Placeboeffekt sei nämlich nicht zu unterschätzen: „27% der Patienten, die früher Nebenwirkungen auf ein Medikament hatten, verspürten diese Effekte auch bei der Verabreichung des Placebos.“ Es gelte, den Placeboeffekt proaktiv zu nutzen und Nocebo-Effekte – also das Gegenteil, die vermutete Schadenswirkung einer Behandlung – zu vermeiden. „Wir denken oft gar nicht darüber nach, was wir unseren Patienten antun“ meinte er am Beispiel seiner eigenen Schwiegermutter, die von ärztlicher Seite mit der kalten Aussage „Ich kann nichts mehr für Sie tun, Sie können jetzt heimgehen“ konfrontiert wurde.
Heike Senge, Geschäftsführerin der Pflegeakademie Niederrhein und ICW-Beiratsmitglied, zeigte in „Hat die Wunde eine Psyche?“ ganz andere Grenzen der Wundbehandlung auf. „Es gibt Menschen, die haben die Wunde einfach auch als Erhalt ihrer sozialen Situation. Sie haben Kontakt zu einem anderen Menschen, weil er mich regelmäßig besucht und betreut. Diese Wunde ist Ausdruck des Bedürfnisses nach Kontakt.“ Daran eng anknüpfend der Schlussvortrag von Prof. Dr. Volker Großkopf, „Habe ich das Recht auf eine Wunde?“. Entscheidend sei das Spannungsfeld zwischen der Selbstbestimmung und der vom Wundbehandler geforderten körperlichen Unversehrtheit des Patienten. „Wenn Sie einen Patienten gegen ihren Willen mobilisieren, begehen Sie eine Nötigung, unter Umständen auch eine Körperverletzung, denn die Mobilisierung kann ja auch schmerzhaft sein.“ Patienten hätten grundsätzlich das Recht, sich selbst zu gefährden; dieses Recht ende spätestens dort, wo Dritte beeinträchtigt sind. Ein aktuelles Beispiel war der schlagzeilenträchtige „Ausbruch“ einer 101-jährigen Frau aus dem Pflegeheim, die trotz Lockdowns zum Geburtstag ihrer ebenfalls schon 80-jährigen Tochter wollte, und von der Polizei zurückgebracht wurde. „Meines Erachtens ist es ein ganz klarer Fall von Freiheitsberaubung, denn Sie können die Senioren nicht mit aller Gewalt im Heim festsetzen“, so Großkopf „Wenn sie aber zurückkommt, könnte das Recht bestehen, sie zu isolieren – denn sie könnte sich draußen infiziert haben und deswegen gefährdend für Dritte sein.“
IWC 2021: „Wundversorgung nach der Pandemie“ – auch virtuell
Unter dem Titel „Wundversorgung nach der Pandemie“ ist die 14. Auflage des IWC am Donnerstag, 25. November 2021, in den Kölner Sartory-Sälen geplant – sofern sich das Land dann tatsächlich nach der Pandemie befindet. Auch eine virtuelle Form der Teilnahme ist angedacht. Sollte – wider Erwarten – eine Präsenzveranstaltung nicht möglich sein, würde der IWC erneut zum Online-Format. Anmelden kann man sich ab sofort unter www.wundcongress.de oder bequem hier via XING-Events.