Sex, Drugs und Rollatoren – Qualität zwischen Individualisierung und Standardisierung

Zum nun­mehr 9. Mal lud der G&S Ver­lag vom 23. bis 30. Janu­ar 2016 zur Win­ter­aka­de­mie nach Playa del Inglés. Im ange­neh­men Kli­ma der Kana­ren dis­ku­tier­ten über 60 Teil­neh­mer aus Pfle­ge und Medi­zin u.a. über die Bedürf­nis­se von Hochbetagten.

Die 9. Win­ter­aka­de­mie des G&S Ver­la­ges stand in die­sem Jahr unter einem ganz beson­de­ren Zei­chen. Erns­te Fra­ge­stel­lun­gen zum pro­fes­sio­nel­len Umgang mit den sexu­el­len Bedürf­nis­sen älte­rer Men­schen und dem Kon­sum von Alko­hol und Dro­gen durch Pfle­ge­be­dürf­ti­ge zogen ins­ge­samt 65 Fach- und Füh­rungs­kräf­te aus Medi­zin und Pfle­ge in das Hotel “IFA Duna­mar” im Süden Gran Cana­ri­as. Prof. Dr. Vol­ker Groß­kopf, Initia­tor der Win­ter­aka­de­mie, ist der Über­zeu­gung, dass auch den Hoch­be­tag­ten das Recht zum Aus­le­ben ihrer Emo­tio­na­li­tät zusteht. Die­ses The­ma gilt es nach sei­ner Auf­fas­sung zu ent­ta­bui­sie­ren, damit die Betrof­fe­nen ihre Bedürf­nis­se tat­säch­lich auch aus­le­ben können.

Prof. Dr. Mar­cus Sie­bolds (Katho­li­sche Hoch­schu­le NRW) bear­bei­te­te gleich zu Beginn mit den Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mern das zen­tra­le Hin­ter­grund­the­ma der gesam­ten Woche. Wie kann mit dem Span­nungs­feld der Pati­en­ten­au­to­no­mie und einer ange­mes­se­nen, siche­ren und ver­tret­ba­ren Ver­sor­gung umge­gan­gen wer­den? Didak­ti­scher Schwer­punkt sei­ner Fort­bil­dungs­ein­heit war die Sen­si­bi­li­sie­rung sei­ner Zuhö­rer für die selbst­kri­ti­sche Fra­ge­stel­lung, durch wel­che inne­re Hal­tun­gen und Ein­stel­lun­gen sie über­haupt zum Han­deln bewegt werden.

Par­al­lel dazu sprach Prof. Ger­trud Hun­de­n­born (eben­falls Katho­li­sche Hoch­schu­le NRW) über die päd­ago­gi­sche Gestal­tung von Lern­pro­zes­sen. Was müs­sen Leh­ren­de über das Ler­nen wis­sen? Mit dem Blick auf das Kern­ele­ment der Fort­bil­dung lau­te­te ihre scherz­haf­te Ant­wort, dass ein guter Vor­trag so sein müs­se, wie ein Bade­an­zug: knapp, anspre­chend und das Wesent­li­che abdeckend.

Die­sen lehr­theo­re­ti­schen Vor­ga­ben fol­gend gestal­te­te die Ber­li­ner Per­sön­lich­keits-Trai­ne­rin Ari­ad­ne Gha­bél ihren Fort­bil­dungs­teil “Go for Gold” sehr inter­ak­tiv. Sie eröff­ne­te den Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mern einen beson­de­ren Zugang zu den Sach­the­men “Team­bil­dung und Team­kom­mu­ni­ka­ti­on” über krea­ti­ve Grup­pen­ar­bei­ten und Tanzübungen.

Der Köl­ner Rechts­an­walt Hubert Klein wid­me­te sich in sei­nem Vor­trag dem juris­ti­schen Umgang mit Dro­gen, Sex und Alko­hol im Pfle­ge­heim. Er beschrieb die ver­fas­sungs­recht­li­chen Gren­zen, die im Umgang mit obses­si­ven Pfle­ge­be­dürf­ti­gen zu beach­ten sind. Sein Plä­doy­er ging klar zuguns­ten der Ach­tung des Selbst­be­stim­mungs­rech­tes aus. 

Dem schloss sich auch die Coa­chin und Super­vi­so­rin Bri­git­te Mün­zel an. Bei alko­hol­kran­ken alten Men­schen sei es beson­ders wich­tig, die Betrof­fe­nen zu ver­ste­hen; letzt­lich müs­se es das Ziel sein, die Lebens­qua­li­tät zu erhal­ten und nicht die Abstinenz.

Inter­es­san­te Ein­drü­cke erhiel­ten die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer der Win­ter­aka­de­mie am fol­gen­den Exkur­si­ons­tag in das staat­li­che Alten- und Pfle­ge­heim “Cen­tro Socio­sa­ni­ta­rio El Pino” in Gran Cana­ri­as Haupt­stadt Las Pal­mas. Trotz der ange­spann­ten Ver­sor­gungs­si­tua­ti­on und lan­ger War­te­lis­ten waren die deut­schen Besu­cher von dem empa­thi­schen Umgang der spa­ni­schen Kol­le­gen mit den über 400 Bewoh­nern die­ser Ein­rich­tung der Maxi­mal­ver­sor­gung nach­hal­tig beeindruckt.

“Zwi­schen Sehn­sucht und Selbst­be­stim­mung – wenn die Lie­be Hil­fe braucht” lau­te­te der von allen mit Span­nung erwar­te­te Bei­trag am letz­ten Ver­an­stal­tungs­tag von Gabrie­le Paul­sen. Die cha­ris­ma­ti­sche Grün­de­rin des ers­ten deut­schen ero­ti­schen Por­tals für immo­bi­le Men­schen – “Nes­si­ta” – beschrieb wel­che Hilfs­an­ge­bo­te zur Unter­stüt­zung der ero­ti­schen Wün­sche von Bewoh­nern über­haupt ergrif­fen wer­den kön­nen. Die über ihr Inter­net­por­tal ange­bo­te­ne Sexu­al­as­sis­tenz und Sexu­al­be­glei­tung fand erwar­tungs­ge­mäß bei allen Teil­neh­mern beson­ders gro­ße Aufmerksamkeit.

Im kom­men­den Jahr fei­ert die Win­ter­aka­de­mie in der Zeit vom 21. bis 28. Janu­ar 2017 ihr zehn­tes Jubi­lä­um. Anmel­dun­gen hier­zu sind der­zeit noch mög­lich: www.winterakademie.de).

Die­ser Bei­trag erschien erst­mals in der Fach­zeit­schrift Rechts­de­pe­sche.