Patienten in die Krankenhaushygiene einbeziehen – Fachleute diskutieren neue Ansätze zur Infektionsprävention

“Eine Sicher­heits­kul­tur kön­nen wir nur errei­chen, wenn die Hygie­ne zur Chef­sa­che gemacht wird.” Mit die­sem kla­ren Appell hat der renom­mier­te Greifs­wal­der Kran­ken­haus­hy­gie­ni­ker Prof. Dr. Axel Kra­mer auf dem Jura­He­alth Con­gress in Köln vor rund 250 Teil­neh­mern die Bedeu­tung ver­stärk­ter Bemü­hun­gen um mehr Infek­ti­ons­schutz in den Kli­ni­ken und Pfle­ge­ein­rich­tun­gen unterstrichen.

Cir­ca 90% der exo­ge­nen Infek­tio­nen wer­den über die Hän­de über­tra­gen, etwa ein Drit­tel davon wäre bei ent­spre­chen­den Hygie­ne- und Schutz­maß­nah­men ver­meid­bar. Ange­sichts die­ser Zah­len riet Kra­mer zu einer beson­de­ren Kon­zen­tra­ti­on auf die Hän­de­hy­gie­ne. Er emp­fahl zudem, hier­bei auch die Pati­en­ten inten­siv ein­zu­bin­den. In der Uni­kli­nik Greifs­wald wür­den die­se mit Hil­fe eines Infor­ma­ti­ons­blat­tes dazu auf­ge­for­dert, eben­falls die Hän­de­des­in­fek­ti­ons­spen­der oder bereit­ge­stell­te Des­in­fek­ti­ons­tü­cher für die Sani­tär­be­rei­che zu nut­zen. “Die Pati­en­ten sind begeis­tert, füh­len sich sicher und gut auf­ge­ho­ben”, resü­mier­te Kramer.

Prof. Dr. Mar­tin Exner von der Uni­ver­si­tät Bonn und Vor­sit­zen­der der Des­in­fek­ti­ons­mit­tel­kom­mis­si­on der Deut­schen Gesell­schaft für Hygie­ne und Mikro­bio­lo­gie (DGHM) unter­stütz­te die­se Aus­sa­ge. An den Bei­spie­len der noso­ko­mia­len Infek­ti­ons­wel­len in Mainz, Bre­men und Leip­zig ver­deut­lich­te er die Kom­ple­xi­tät des The­mas Infek­ti­ons­schutz. Sei­ne Schwer­punk­te setz­te Exner in der besorg­nis­er­re­gen­den Ursa­chen­be­schrei­bung der Zunah­me von anti­bio­ti­ka­re­sis­ten­ten Erre­gern und den erfor­der­li­chen Grund­la­gen für die Regu­lie­rung der Infek­ti­ons­ri­si­ken. Exners Kern­aus­sa­ge war unmiss­ver­ständ­lich: “Den Risi­ko­fak­to­ren kann in der Zukunft nur durch den geord­ne­ten Auf­bau von kran­ken­haus­hy­gie­ni­schen Struk­tu­ren getrotzt werden”.

Wie sen­si­bel Pati­en­ten inzwi­schen für Hygiene­the­men sind, berich­te­te der Vor­sit­zen­de Rich­ter am Schles­wig-Hol­stei­ni­schen Ober­lan­des­ge­richt, Wolf­gang Frahm. Immer wie­der führ­ten Hygie­ne­män­gel zu einer haf­tungs­recht­li­chen Inan­spruch­nah­me von Kli­ni­ken oder Pfle­ge­ein­rich­tun­gen. Die Aus­gangs­la­ge in einer gericht­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung sei für den Pati­en­ten jedoch pro­zes­su­al ungüns­tig. Mög­li­che Beweis­erleich­te­run­gen hän­gen vom fest­ge­stell­ten Sach­ver­halt ab: Rührt die Infek­ti­ons­quel­le aus der Kli­nik, erfährt der Pati­ent Ver­fah­rens­vor­tei­le wegen der Prin­zi­pi­en des “voll beherrsch­ba­ren Orga­ni­sa­ti­ons­be­rei­ches”. Steht hin­ge­gen nicht fest, dass die Infek­ti­ons­quel­le aus dem Kli­nik­be­reich stammt, kön­nen nur Nach­wei­se über Doku­men­ta­ti­ons­ver­säum­nis­se, das Abwei­chen von Hygie­ne­stan­dards oder der Beleg eines gro­ben Behand­lungs­feh­lers dem Pati­en­ten eine Ver­güns­ti­gung der Beweis­la­ge versprechen.

Robert Schrö­del von der Pio­neer Medi­cal Devices AG knüpf­te an die­se Aus­sa­ge an. Auch er hat die Beweis­not der Kran­ken­häu­ser erkannt. Schrö­del stell­te in sei­nem Vor­trag auf die Beweis­last­re­geln der § 23 Absatz 3 IfSG und des § 630h BGB ab. Die hier­nach erfor­der­li­che lücken­lo­se Beweis­füh­rung kön­ne mit dem IT-gestütz­ten Sys­tem “San­cu­ra” für den kri­ti­schen Bereich der Hän­de­des­in­fek­ti­on gerichts­fest doku­men­tiert werden.

Wolf­gang Graf von Bal­lestrem lenk­te die Auf­merk­sam­keit der Besu­cher auf den kom­ple­xen, abtei­lungs­über­grei­fen­den Pro­zess­ab­lauf der Bet­ten­auf­be­rei­tung. Neben den Aspek­ten der Wirt­schaft­lich­keit spie­le auch die Hygie­ne in der Bet­ten­ver­sor­gung eine her­aus­ra­gen­de Rol­le für den Infek­ti­ons­schutz. Die Ent­schei­dung für ein pro­zess­op­ti­mier­tes Manage­ment von Kran­ken­haus­bet­ten sei zwar pri­ma vis­ta öko­no­misch getrie­ben. Bei genau­er Betrach­tung ber­ge die Struk­tu­rie­rung der Bet­ten­lo­gis­tik für die Ein­rich­tun­gen jedoch auch ein hygie­ne­re­le­van­tes Optimierungspotenzial.

Dr. Anne Bun­te, Lei­te­rin des Gesund­heits­am­tes Köln, ver­deut­lich­te das Hygie­ne­pro­blem anhand von zahl­rei­chen Bei­spie­len aus der Prüf­pra­xis. Ent­schei­dend für eine gute Hygie­ne­qua­li­tät sei aber nicht nur die Leis­tung der ein­zel­nen Ein­rich­tung, der Infek­ti­ons­schutz hängt auch von der struk­tu­rier­ten Zusam­men­ar­beit über die Sek­to­ren­gren­zen hin­weg ab. Wolf­ram-Arnim Can­di­dus, Prä­si­dent der Deut­schen Gesell­schaft für Ver­si­cher­te und Pati­en­ten (DGVP), stell­te in die­sem Zusam­men­hang an die Poli­tik die For­de­rung nach der Auf­stel­lung eines hin­rei­chen­den Per­so­nal­schlüs­sels. Hygie­ne ist ein per­so­nal­in­ten­si­ves Geschäft, so der Ver­tre­ter der Patienteninteressen.

Dass sich Anstren­gun­gen im Bereich der Hygie­ne für Kli­ni­ken auch wirt­schaft­lich loh­nen kön­nen, stell­te Dr. Jan Helf­rich, Vor­stands­re­fe­rent der DAK, in sei­nem Schluss­vor­trag her­aus. Aus Sicht des dritt­größ­ten Kos­ten­trä­gers erklär­te er den struk­tu­rier­ten Infek­ti­ons­schutz zu einem Stan­dard, der für eine qua­li­ta­tiv ange­mes­se­ne Ver­sor­gung erwar­tet wer­den kön­ne und ohne Mehr­kos­ten zu orga­ni­sie­ren sei.

Der JHC 2014 wird sich am 15. Mai kom­men­den Jah­res in Köln mit der Mobi­li­tät von Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten sowie den damit ver­bun­de­nen Risi­ken und Lösungs­an­sät­zen beschäftigen.

Die­ser Bei­trag erschien erst­mals in der Fach­zeit­schrift Rechts­de­pe­sche.