“Nur der Betreuer kann lernen” – Strategien in der Betreuung von Demenzkranken

Mit anschau­li­chen Bei­spie­len ver­deut­lich­te Prof. Dr. Hans Georg Nehen von der Geron­to­lo­gi­schen Bera­tungs­stel­le Memo­ry Cli­nic in Essen sei­ne Kern­bot­schaft: In der Demenz­ver­sor­gung kön­nen nur die Pfle­gen­den und Ange­hö­ri­gen lau­fend ler­nen, die Betrof­fe­nen müs­sen hin­ge­gen in ihrer Welt ernst­ge­nom­men werden.

Beim 8. Jura­He­alth Con­gress (JHC) am 23. April 2015 beschäf­tig­ten sich mehr als 500 Teil­neh­mer aus Pfle­ge und Medi­zin mit aktu­el­len Stra­te­gien zum Umgang mit Men­schen mit Demenz und nah­men dabei vor allem die Belas­tun­gen für die pro­fes­sio­nell Pfle­gen­den in den Blick. Clau­dia Stil­ler-Wüs­ten stell­te in die­sem Zusam­men­hang Bewäl­tungs­stra­te­gien bei her­aus­for­dern­dem Ver­hal­ten dar. Der Köl­ner Pfle­ge­recht­ler Prof. Dr. Vol­ker Groß­kopf führ­te hier­zu aus, dass die pro­fes­sio­nal Han­deln­den in einem stän­di­gen Span­nungs­feld zwi­schen dem Recht auf Selbst­be­stim­mung ihrer Pati­en­ten, Bewoh­ner und Kli­en­ten und der eige­nen Belas­tungs­gren­ze zum Bei­spiel bei phy­si­schen Angrif­fen ste­hen. Hier müss­ten Pfle­gen­de sehr genau über die recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen für frei­heits­ent­zie­hen­de Maß­nah­men und vor allem über die vie­len moder­nen Alter­na­ti­ven durch eine beson­de­re Betreu­ung der Betrof­fe­nen infor­miert sein.

Prof. Dr. Sabi­ne Alex­an­dra Engels von der Katho­li­schen Hoch­schu­le NRW stell­te die wis­schen­schaft­li­chen Ergeb­nis­se zum Tria­log­kon­zept vor und zeig­te dabei auf, dass die Zusam­men­ar­beit zwi­schen Betrof­fe­nen, Ange­hö­ri­gen und Ärz­ten sowie Pfle­gen­den für eine ziel­füh­ren­de Betreu­ung der Men­schen mit Demenz von gro­ßer Wich­tig­keit ist.

Sehr hand­fest trai­nier­ten Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer eines beglei­ten­den Work­shops den Umgang mit aggres­si­vem Ver­hal­ten, bei dem auch die Wür­de der Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner bewusst geschützt wird. Dazu hat­te die Berufs­ge­nos­sen­schaft für Gesund­heits­dienst und Wohl­fahrts­pfle­ge als Kon­gress­part­ner den bekann­ten israe­li­schen Selbst­ver­tei­di­gungs­trai­ner Moti Arbel ein­ge­la­den, der in den Köl­ner Sar­to­ry-Sälen Hin­wei­se zu rich­ti­gen Reak­tio­nen bei kör­per­li­chen Angrif­fen in der Pfle­ge gab.

Dr. Alex­an­der Ris­se, Chef­arzt des Dia­be­tes­zen­trums am Kli­ni­kum Dort­mund beklag­te in sei­nem außer­ge­wöhn­li­chen Abschluss­vor­trag unter dem Titel “Alter, Revol­te und Resi­gna­ti­on” den fal­schen Blick­win­kel vie­ler Medi­zi­ner auf den Pro­zess des Älter­wer­dens. Er ver­misst bereits in der Aus­bil­dung eine tat­säch­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Alter und beob­ach­tet statt­des­sen “Zen­trie­rung um ope­ra­tio­na­li­sier­ba­re Para­me­ter”. Dabei gehe es stets um “Lebens­ver­län­ge­rung vor Lebens­qua­li­tät”, kri­ti­sier­te Risse.

Der Jura­He­alth Con­gress wur­de auch in die­sem Jahr durch eine umfang­rei­che Fach­aus­stel­lung ergänzt. Das Satel­li­ten­sym­po­si­um der Beck­Aka­de­mie stell­te zeit­gleich das Kon­zept des “Wer­den­fel­ser Wegs” als einen beson­ders sinn­vol­len Umgang mit aggres­si­ven Bewoh­nern oder Men­schen mit Weg­lauf­ten­den­zen ohne die Anwen­dung von frei­heits­ent­zie­hen­den Maß­nah­men vor und erläu­ter­te das Mit­ein­an­der von Pfle­gen­den und recht­li­chen Betreue­rin­nen und Betreu­ern. Der Work­shop von Ron­ja White, der den Tanz von Men­schen mit Demenz in den Mit­tel­punkt der Betrach­tung stell­te, run­de­te das facet­ten­rei­che Pro­gamm des Jura­He­alth Con­gres­ses 2015 ab.

Die­ser Bei­trag erschien erst­mals in der Fach­zeit­schrift Rechts­de­pe­sche.