Ansprüche, Therapie und Pflege von Menschen mit chronischen Wunden
Die Konsentierung des 6. Nationalen Expertenstandards des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) veranlasste das Fortbildungsinstitut PWG-Seminare, in die traditionsreichen Kölner Sartory-Säle zu einem interdisziplinären Fachkongress einzuladen.
Im Zentrum der Veranstaltung stand die Einbindung des neuen pflegerischen Behandlungsstandards “Pflege von Menschen mit chronischen Wunden” in das wundtherapeutische Umfeld von Medizin und Pharmazie. Heftig diskutiert wurden daneben das Spannungsfeld zwischen Kosten und Versorgungsqualität sowie die Verteilung der Verantwortungsbereiche zwischen Ärzten und Pflegekräften.
Prof. Dr. Eva-Maria Panfil (Fachhochschule Frankfurt/Main) eröffnete die Vortragsreihe mit Einblicken in die Arbeitsergebnisse der DNQP-Expertengruppe. In ihrem Vortrag hob sie ausdrücklich hervor, dass sämtliche DNQP-Standards als monoprofessionelle Instrumente der Qualitätsentwicklung nur die spezifischen Beitrage der Pflege beschreiben; dies gelte auch für die Inhalte des neuen Expertenstandards. Die pflegerischen Herausforderungen und Handlungsschwerpunkte erkennt sie vor allem in der Anleitung zum Erhalt bzw. zur Förderung einer möglichst großen Unabhängigkeit und Selbstständigkeit der Wundpatienten. Daher werden den Pflegekräften in der Wundversorgung in besonderem Maße kommunikative Fähigkeiten abverlangt. “Eine Pflegekraft arbeitet auch, wenn sie spricht”, so die nüchterne Feststellung von Prof. Dr. Panfil.
Der Hamburger Fachapotheker Werner Sellmer fokussierte die konkreten Wundversorgungsmaßnahmen. Positiv bewertete er die zunehmende Wahrnehmung des Themas “chronische Wunde” als ein eigenes Krankheitsbild. Hieraus resultiere schließlich, so Sellmer, dass Verzweiflungstherapien mit drastischen Wirkstoffen in den Hintergrund rücken und feingliedrige Wundmanagementsysteme das Wundheilungsgeschehen beherrschen.
Die Oberärztin Dr. Sabine Eming von der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie der Universität zu Köln erkennt gleichfalls eine positive Entwicklung in der Versorgung von Patienten mit chronischen Wundheilungsstörungen. Andererseits entspricht es aber auch ihren Erfahrungen als Leiterin der interdisziplinären Wundambulanz, dass die Wirksamkeit der derzeit verfügbaren Wundtherapeutika unzureichend seien. Dies sei, so Dr. Eming, darauf zurückzuführen, dass der therapeutische Heilungsansatz sich bislang hauptsächlich auf die Kenntnisse aus der Versorgung von akuten Wunden stützt.
Rechtsanwalt Prof. Dr. Volker Großkopf von der Katholischen Hochschule NW lenkte die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf ein anderes Problemfeld. Er zeigte auf, dass sich die Abstimmung und Koordinierung des Therapiekonzepts einer chronischen Wunde zwischen den beteiligten Berufsgruppen oftmals schwierig gestalte. Dies sei u.a. dadurch begründet, dass sich die Wundversorgungsmaßnahmen regelmäßig in einem Prozess der vertikalen Arbeitsteilung zwischen dem Arzt und der Pflegekraft vollziehen. In diesem Geschehensverlauf verfügen Pflegekräfte nur über eine eingeschränkte Handlungsautonomie. Insbesondere in den arztfernen stationären Pflegeeinrichtungen und ambulanten Diensten bestünden rechtliche Grauzonen, die für beide Berufsgruppen haftungsrechtlichen Explosivstoff enthalten würden. Es gehört nach seiner Auffassung zu den dringlichen Aufgaben des Gesetzgebers, diese Lücken zu schließen.
Praktische Probleme und mögliche Lösungsansätze in der Wundversorgung wurden auch von René Bostelaar, Pflegedirektor der Universitätsklinik Köln, und Sascha Saßen vom EVK Düsseldorf angesprochen. Während Bostelaar die wesentlichen Kriterien eines wirksamen Case-Managements vorstellte, konzentrierte sich Saßen auf die Fragestellung, wie ein Expertenstandard in die bestehenden Organisationsstrukturen überführt werden kann. Moderator Martin von Berswordt-Wallrabe plädierte für eine bessere Koordinierung der Schnittstellen zwischen Klinik und ambulantem Bereich. Dafür sei es wichtig, das Verständnis aller Beteiligten füreinander zu verbessern. Er appellierte an die rund 500 Teilnehmer aus allen Versorgungsbereichen des Gesundheitswesens, das Thema im Sinne des Patientenschutzes voranzubringen.
Der rege Besucheranstrom hat die Erwartungen der Organisatoren weit übertroffen. Auch die zahlreichen anwesenden Firmenvertreter auf der begleitenden Fachausstellung äußerten sich sehr positiv über die rege geführten Fachgespräche.
Dieser Beitrag erschien erstmals in der Fachzeitschrift Rechtsdepesche.