Klare Positionen und leidenschaftliche Diskussionen

“Wer die Tür einen Spalt auf­macht, läuft Gefahr, sie weit auf­zu­sto­ßen.” Mit die­sen mah­nen­den Wor­ten been­de­te einer der Haupt­red­ner des JHC 2009, der nie­der­län­di­sche Erz­bi­schof Dr. Wil­lem-Jaco­bus Eijk, sei­nen Vor­trag zu den ethi­schen Grenz­fra­gen bei der Ent­schei­dung zwi­schen einem wür­di­gen und ärzt­lich beglei­te­ten Ster­ben und den medi­zi­nisch mög­li­chen lebens­ver­län­gern­den Maßnahmen.

Damit for­mu­lier­te er das Dilem­ma, in dem der Dia­log zwi­schen den medi­zi­ni­schen Prak­ti­kern, also Ärz­ten und Pfle­gen­den, und der Rechts­wis­sen­schaft der­zeit steckt: Was im Ein­zel­fall abge­schätzt wer­den kann und pas­sie­ren soll, lässt sich nur schwer mit Geset­zen festlegen.

Ent­spre­chend kon­tro­vers gestal­te­ten sich auch die Dis­kus­sio­nen beim dies­jäh­ri­gen Jura­He­alth Con­gress in der Ber­li­ner Ura­nia. Staats­se­kre­tär Lutz Diwell erläu­ter­te in sei­nem Gruß­wort, das er in Ver­tre­tung von Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­rin Bri­git­te Zypries zum Kon­gress­be­ginn sprach, noch ein­mal die grund­le­gen­den Unter­schie­de zwi­schen den drei kon­kur­rie­ren­den Gesetz­ent­wür­fen zum The­ma, die das Par­la­ment nun auf Eis gelegt hat. Die obers­te Bun­des­rich­te­rin Dr. Meo-Micae­la Hah­ne zeig­te mit der Beschrei­bung von zwei weg­wei­sen­den Urtei­len des BGH zur Gül­tig­keit von Pati­en­ten­ver­fü­gun­gen aber den aktu­el­len Stand der Recht­spre­chung und die Gren­zen einer rich­ter­li­chen Ent­schei­dung in die­ser The­ma­tik auf.

In zahl­rei­chen Vor­trä­gen erör­ter­ten anschlie­ßend Ethi­ker und Pal­lia­tiv­me­di­zi­ner ihre Beden­ken gegen eine star­re schrift­li­che Fixie­rung von Anwei­sun­gen an die han­deln­den Ärz­te oder Betreu­er und spra­chen sich für eine inten­si­ve­re Beschäf­ti­gung mit dem Pro­zess des Ster­bens aus. Damit zeig­te der Jura­He­alth Con­gress ein­drück­lich die kon­tro­ver­sen Dis­kus­sio­nen um die Ach­tung und Gül­tig­keit des Pati­en­ten­wil­lens auf.

Am zwei­ten Kon­gress­tag domi­nier­ten Vor­trä­ge zum der­zeit in der Test­pha­se befind­li­chen Exper­ten­stan­dard zur ora­len Ernäh­rung. Prof. Dr. Sabi­ne Bar­tho­lo­mey­c­zik von der Uni­ver­si­tät Witten/Herdecke, die im Len­kungs­aus­schuss des DNQP feder­füh­rend an der Erstel­lung des Stan­dards betei­ligt war, und MDS-Geschäfts­füh­rer Dr. Peter Pick lob­ten die erziel­te Ver­bes­se­rung der Ernäh­rungs­si­tua­ti­on für Men­schen in der Pflege.

Als ein Ver­tre­ter der Pati­en­ten und Ver­si­cher­ten for­der­te DGVP-Prä­si­dent Wolf­ram-Arnim Can­di­dus eine Neu­struk­tu­rie­rung der geplan­ten elek­tro­ni­schen Pati­en­ten­kar­te. Wenn man die Chip­kar­te viel­mehr als “per­sön­li­che Behand­lungs­do­ku­men­ta­ti­on” gestal­te und auch Doku­men­te wie einen Organ­spen­de­aus­weis oder eine Pati­en­ten­ver­fü­gung in digi­ta­ler Form mit ein­schlie­ße, könn­te das Modell der Pati­en­ten­kar­te sehr viel mehr Akzep­tanz unter den Ver­si­cher­ten fin­den, beton­te Candidus.

Im Foy­er der Ber­li­ner Ura­nia nutz­ten die rund 450 Kon­gress­teil­neh­mer auch die Gele­gen­heit, sich über Neu­hei­ten aus Medi­zin und Pfle­ge zu infor­mie­ren, die die zahl­rei­chen Indus­trie­part­ner dort präsentierten.

Der Jura­He­alth Con­gress 2010 wird sich mit dem The­men­kom­plex der Haf­tung und der Haft­pflicht­ver­si­che­rung in Medi­zin und Pfle­ge befas­sen und erneut in Ber­lin stattfinden.

Die­ser Bei­trag erschien erst­mals in der Fach­zeit­schrift Rechts­de­pe­sche.